Ab 20.09.2017 unterzeichnen über 120 Nationen den UN-Vertrag.
Für den Vertrag stimmten heute (07.07.2017) in New York 122 Länder. Boykottiert wurden die Verhandlungen von den neun Atommächten, darunter die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich. Auch Deutschland beteiligte sich nicht. Das Votum wurde von den Befürwortern mit Applaus und Jubelrufen quittiert. "Wir haben damit den Grundstein für eine atomwaffenfreie Welt gelegt", sagte die Botschafterin von Costa Rica, Elayne Whyte Gomez. Sie leitete die UN-Konferenz zur Ausarbeitung des Abkommens. Die Initiative ging unter anderem von Österreich, Brasilien, Mexiko, Südafrika und Neuseeland aus. Das Abkommen sieht ein vollständiges Verbot der Entwicklung und Lagerung von Atomwaffen vor. Auch die Drohung mit einem Nuklearangriff ist demnach untersagt. Mit dem Beschluss wollen die Unterstützer die Atommächte zur Abrüstung bewegen. Über Atomwaffen verfügen neben den fünf UN-Vetomächten auch Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea.
Frankfurter Rundschau, 3. April 2017
Die Bundesregierung sollte sich an den Verhandlungen zum Verbot von Atomwaffen beteiligen. „Auf ein Desaster warten, ist keine Strategie“
Von Xanthe Hall
Am späten Freitagabend sind die Verhandlungen über ein Atomwaffenverbot in New York zu Ende gegangen. 129 Staaten beteiligten sich an der ersten Verhandlungsrunde. Deutschland boykottierte die Konferenz wie die meisten Nato-Mitglieder, obwohl sich die Bundesregierung zu multilateralen Abrüstungsprozessen und zum Ziel einer atomwaffenfreien Welt bekannt hat.
Das Argument der Bundesregierung, Abrüstung könne nicht gegen den Willen der Atomwaffenstaaten durchgesetzt werden und sei daher sinnlos, verfehlt die eigentliche Intention eines Verbotsvertrages. Ein Atomwaffenverbot wirkt auch, wenn Atomwaffenstaaten sich nicht beteiligen. Endlich wären alle Waffen verboten, die unterschiedslos Menschen töten und darauf abzielen, katastrophalen Schaden anzurichten. Atomwaffen würde die Legitimität abgesprochen. Sie ständen auf der gleichen rechtlichen Stufe wie Bio- und Chemiewaffen, die bereits verboten sind.
Regierungen, die in diesem Prozess eine Schlüsselrolle spielen wie beispielsweise Österreich verfügen über Erfahrung in der „humanitären Abrüstung“. So kam der völkerrechtliche Vertrag zum Verbot von Antipersonenminen ebenfalls gegen den Willen der Besitzerstaaten zustande. Die Konvention trat 1999 mit 40 Ratifizierungen in Kraft. Bis heute wurde sie von 162 Staaten unterzeichnet. Der Erfolg des Ottawa-Prozesses wäre nicht möglich gewesen ohne die Internationale Kampagne zur Ächtung von Landminen, die für ihr Engagement mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Ähnlich lief es mit der Streumunition, die seit 2008 verboten ist.
Die Kritik der Bundesregierung, es gebe kein Überwachungssystem, um zu prüfen, ob alle Vertragsparteien atomwaffenfrei sind, überzeugt nicht. Erstens hat die Biowaffenkonvention auch kein Verifikationssystem, was die Vertragsparteien nicht davon abgehalten hat, die Konvention zu beschließen. Zweitens gibt es bereits für die Überwachung anderer Atomwaffenverträge UN-Kontrollsysteme, die die Nichtverbreitung von Atomwaffen kontrollieren. Drittens hätte eine Beteiligung Deutschlands sicherstellen können, dass ein Überwachungssystem Teil des Vertrags wird.
Die Bundesregierung äußert zudem die Sorge, dass ein Atomwaffenverbot den Atomwaffensperrvertrag schwächen könne. Doch seit der unbefristeten Verlängerung dieses Vertrags 1995 stehen die multilateralen Verhandlungen über eine nukleare Abrüstung still. In letzter Zeit haben die Präsidenten der USA und Russland sogar erklärt, dass sie ihre ohnehin übergroßen Nuklearwaffenarsenale noch vergrößern und verstärken wollen. Ein Atomwaffenverbot würde den Vertrag also eher retten als schwächen.
Ein Verbotsvertrag hätte auch dann Auswirkungen auf das Verhalten der Atomwaffenstaaten, wenn sie sich weigern, dem Abkommen beizutreten. Beispielsweise könnte der Vertrag ein Verbot der Investitionen in die Herstellung von Atomwaffen oder ihren Trägersystemen enthalten wie beim Landminenvertrag. Dann würde Finanzinstituten in Ländern, die den Vertrag unterzeichnet haben, die Finanzierung von Mischkonzernen wie Boeing oder Airbus untersagt. Das wiederum würde es den Herstellerfirmen erschweren, die Milliardenaufträge für die Modernisierung der Atomwaffen vorzufinanzieren.
In New York zeichnete sich ab, dass der Einsatz, Besitz, Erwerb sowie die Lagerung, Entwicklung und Produktion von Atomwaffen verboten werden. So könnte beispielsweise der Transit durch die Gewässer und den Luftraum der Vertragsparteien untersagt werden. Damit wäre der Bereich, in dem Atomwaffen-U-Boote patrouillieren können, eingegrenzt.
Der Boykott der Verhandlungen durch die Bundesregierung nährt eher den Verdacht, dass Deutschland sich die Option der „nuklearen Teilhabe“ aufrechterhalten will. In jüngster Zeit wird in den Medien wiederholt berichtet, dass in politischen Kreisen mit Blick auf Donald Trump sogar über einen deutschen Griff zur Bombe oder eine europäische Atombombe nachgedacht wird. Es sei daran erinnert, dass die Bundesregierung den Atomwaffensperrvertrag 1973 nur unter dem Vorbehalt einer deutschen Mitverfügung über Atomwaffen im Rahmen einer europäischen Militär- und Sicherheitspolitik unterzeichnete. Die Internationalen Juristen gegen Atomwaffen weisen darauf hin, dass alle Nato-Staaten den „Kriegsvorbehalt“ in Anspruch nehmen. Gemäß einer Erklärung des außenpolitischen Ausschusses des US-Senats von 1968 soll der Atomwaffensperrvertrag dann nicht mehr gelten, wenn „eine Entscheidung, Krieg zu führen, getroffen wird“.
In Büchel in der Eifel wollen die USA eine völlig neue Generation von Atomwaffen stationieren, die B61-12-Atombomben. Sie bringt neue Fähigkeiten mit sich: Zur flexiblen Einstellung der Sprengkraft kommt eine digitale Lenkbarkeit zur Führung ins Ziel. Damit sinkt die Hemmschwelle für einen Einsatz.
Die Bundesregierung behauptet, dass die Zeit für ein Atomwaffenverbot nicht reif sei. Der österreichische Delegierte Alexander Marschik hat bei der Konferenzeröffnung gesagt, es gebe keine “„falsche“ Zeit, um Atomwaffen zu verbieten. „Und ehrlich: Wenn man die Gefahren anschaut – was ist die Alternative? Ist Nichtstun eine bessere Strategie? Auf ein Desaster warten ist keine Strategie.“ Vom 15. Juni bis 7. Juli 2017 wird weiter über ein Atomwaffenverbot verhandelt. Die Bundesregierung hat dann erneut die Chance die Verhandlungen zu beeinflussen, indem sie sich an der Konferenz beteiligt.
Xanthe Hall ist Abrüstungsexpertin der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW).
Deutschland weigert sich, über Atomwaffen zu verhandeln. Kampagne kündigt 20 Wochen Protest an.
Die Bundesregierung wird nicht an den UN-Verhandlungen zum Atomwaffenverbot teilnehmen. Das Auswärtige Amt teilte dies am vergangenen Freitag mit. Atomwaffengegner kritisieren diese Entscheidung aufs Schärfste. Die Kampagne „Büchel ist überall – atomwaffenfrei jetzt“ wird ab dem 26. März 2017 zwanzig Wochen lang am Atomwaffenstandort Büchel (Rheinland-Pfalz) protestieren.
Im vergangenen Jahr beschlossen die Vereinten Nationen, die Verhandlungen über ein generelles Verbot von Atomwaffen aufzunehmen. Für diese Verhandlungen hatten sich 113 Staaten ausgesprochen. 13 Staaten enthielten sich. Deutschland und 34 andere Länder stimmten gegen Verhandlungen. „Die Entscheidung, den Verhandlungen fern zu bleiben, zeigt, dass die Bundesregierung – entgegen allen Sonntagsreden – nicht willens ist, sich für eine atomwaffenfreie Welt einzusetzen“, sagt Philipp Ingenleuf, Koordinator der Kampagne „Büchel ist überall – atomwaffenfrei jetzt“. Und weiter: „Der Boykott der Verhandlungen ist eine Fehlentscheidung und für uns nicht hinnehmbar!“
Aktivisten werden ab 26. März, einem Tag bevor in New York die Verhandlungen beginnen, am Atomwaffenstandort Büchel in der Eifel präsent sein. Die Aktionspräsenz dauert bis zum 9. August, dem Jahrestag des Abwurfs der Atombombe auf Nagasaki. Außerdem wird es vom 27. bis zum 31. März eine bundesweite Aktionswoche geben. Bei dieser werden Friedensgruppen und die "Bürgermeister für den Frieden" in ihren Städten aktiv. Ingenleuf betont: „Eine neue Spirale Aufrüstung zwischen Russland und den USA hat begonnen, auch mit Atomwaffen. Das ist brandgefährlich.“
Presseanfragen an: Philipp Ingenleuf, Email: p.ingenleuf@friedenskooperative.de, Tel.: 0228/692904
Zum Heiligabend (deutscher Zeit) hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York beschlossen, ab März kommenden Jahres offiziell über ein Atomwaffenverbot zu verhandeln. Damit setzt sie einen politischen Kontrapunkt zu den Ankündigungen Russlands und der USA in den vergangenen Tagen, nuklear aufzurüsten. Mit 113 Stimmen machte die Mehrheit der Staatengemeinschaft den Weg frei für die Ächtung der zerstörerischsten Massenvernichtungswaffen. 35 Staaten stimmten gegen die Resolution, welche Beginn, Ende und Rahmen einer Verhandlungskonferenz absteckt. 13 Staaten enthielten sich der Stimme. Bis zum 7. Juli 2017 soll das Vertragswerk ausgehandelt sein.
Für Xanthe Hall von der Ärzte- und Friedensorganisation IPPNW ist die Resolution "ein echtes Weihnachtsgeschenk". "Jetzt gilt es, dieses Geschenk auszupacken. Wir fordern die Bundesregierung auf, an den Verhandlungen im nächsten Jahr teilzunehmen", fordert die Abrüstungsexpertin.
ICAN (Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen) sieht im Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen einen Wendepunkt in der Geschichte der Abrüstung und zugleich ein Zeichen der Hoffnung angesichts des Versagens des Sicherheitsrates, seinen Auftrag als Garant des Weltfriedens zu erfüllen. "Nach den betrüblichen Ereignissen der vergangenen Tage in Aleppo, Ankara und Berlin und dem Schock der US-Wahlen erscheint der Beschluss wie ein Licht, das der Welt Orientierung geben kann", sagt Sascha Hach, Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland. "Die bestehende, auf Atomwaffen fußende Weltordnungspolitik und ihre alten Machtzentren haben das Vertrauen vollends verspielt. Es ist, als ob die Generalversammlung mit dieser Resolution eine neue Ära einläuten will. Diesem Appell müssen die Regierungen nun folgen", schlussfolgert Hach.
In den vergangenen drei Jahren ist eine immer stärker werdende Bewegung aus atomwaffenfreien Staaten und Zivilgesellschaft herangewachsen und hat die humanitären Auswirkungen von Atomwaffen ins Zentrum der abrüstungspolitischen Debatte gestellt. Nach drei großen internationalen Konferenzen forderte die so genannte humanitäre Initiative ein Verbot von Atomwaffen und initiierte eine Arbeitsgruppe zur nuklearen Abrüstung bei den Vereinten Nationen. Diese tagte dieses Jahr in Genf und rief im August nach einer internen Kampfabstimmung die Generalversammlung dazu auf, im kommenden Jahr Verhandlungen zu einem Atomwaffenverbot einzuberufen. Daraufhin haben noch im September sechs atomwaffenfreie Staaten - Österreich, Irland, Mexiko, Brasilien, Südafrika und Nigeria - der Generalversammlung eine entsprechende Resolution vorgelegt. Diese wurde unter dem Kennzeichen L41 am 28. Oktober 2016 zunächst vom Ersten Ausschuss mit überwältigender Mehrheit angenommen. Die Abstimmung in der Vollversammlung bestätigt formell den Beschluss des Ausschusses.
Am 27. März 2017 beginnen nun in New York die Verhandlungen zum völkerrechtlichen Verbot von Atomwaffen. In zwei Runden wollen die Vereinten Nationen bis zum 7. Juli 2017 einen Vertrag zur internationalen Ächtung verhandeln. Damit wird eine Lücke im Völkerrecht geschlossen: Atomwaffen sind die einzigen Massenvernichtungswaffen, die noch nicht verboten sind.