Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht | Deutsche Gerichte decken völkerrechtswidrige Atomwaffen-Stationierung | Pressemitteilung vom 11. November 2021

Stefanie Augustin und Marion Küpker (Aachener Friedenspreisträgerin des Jahres 2019 für die Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt") legten durch ihre Anwältin Anna Busl fristgerecht zum 12. November 2021 Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Hintergrund: Am Sonntag, den 15. Juli 2018, drangen 18 Menschen aus vier verschiedenen Staaten in den "Fliegerhorst Büchel" der Bundeswehr ein, wo ca. 20 US-Atombomben stationiert sind. Die AktivistInnen kamen aus den USA (7), Deutschland (6), den Niederlanden (4) und England (1).

In fünf Gruppen schnitten sie Zäune auf und gelangten in den militärischen Sicherheitsbereich. Sie kletterten u.a. auf Hangars, in denen möglicherweise die Atomwaffen gelagert werden, und lasen den Soldaten gegenüber Gesetze zur Rechtswidrigkeit ihres Handelns, z.B. der Vorbereitung und Teilnahme an Atomkriegshandlungen, vor.

Stefanie Augustin sagt dazu: "Ich habe diese Aktion mitgemacht, da sie die einzige Möglichkeit ist, als Bürgerin diese staatlichen Gesetzesbrüche vor den Gerichten verhandeln zu können. Dazu gehört auch die Praktizierung der illegalen nuklearen Teilhabe Deutschlands in der NATO. Da wir mit der 14. Verfassungsbeschwerde, die vom Bundesverfassungsgericht wieder nicht angenommen wurde, alle nationalen Gerichtsinstanzen ausgeschöpft haben, haben wir nun erstmalig den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen."

Marion Küpker erklärt weiter: "Das Internationale Recht ist dem bundesdeutschen Recht übergeordnet. Die Gerichte hätten prüfen müssen, ob wir tatsächlich ausreichende und dringende Gründe hatten, mit einer solchen Aktion auf diesen Notstand aufmerksam zu machen. Unsere Beweisanträge bzgl. unserer (Rechts-)ExpertInnen-Zeugen wurden von den Gerichten einfach abgelehnt. Die Gerichte sind aber verpflichtet, auch völker- und verfassungsrechtliche Fragen zu prüfen. Es wurde bisher in allen gerichtlichen Instanzen unser "Recht auf rechtliches Gehör" nach Art. 6, Abs 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) und unser Recht auf Leben nach Art. 2 Abs. 1 EMRK verletzt."

Die stationierten Atomwaffen verletzen das Recht auf Leben, da ihr konkreter Einsatz ständig geübt wird. Die Bedingungen für deren Einsatz sind das Vorrätighalten und die Übungen. Durch die Atomwaffen-Stationierung ist jederzeit die Option eines Atomkrieges gegeben, womit neben der möglichen Ausweitung zum globalen Atomkrieg auch Deutschland zum Zielgebiet wird.

In den letzten beiden Jahren fanden etwa 50 Gerichtsverfahren mit mehreren Angeklagten im Amtsgericht Cochem und Landgericht Koblenz zu gewaltfreien Aktionen des zivilen Ungehorsams in Form von Go-In's in den Fliegerhorst Büchel statt. Prozessberichterstattungen sind hier zu finden: www.buechel-atombombenfrei.de

Die Aktion vom 15. Juli 2018 war Teil der Internationalen Woche, die gemeinsam von der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen (www.gaaa.org) und von der US-Organisation Nukewatch (www.nukewatchinfo.org), während der 20-wöchigen Aktionspräsenz der bundesweiten Kampagne “Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt”, organisiert wurde. Die GAAA ist eine Mitgliedsgruppe der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (www.dfg-vk.de).

Der Kampagnenrat des aus über 70 Organisationen/Gruppen bestehenden bundesweiten Trägerkreises "Atomwaffen abschaffen - bei uns anfangen!" (www.atomwaffenfrei.de) unterstützt diese Klage, da die Gerichte gefragt sind, sich auch mit völkerrechtlichen Fragen auseinanderzusetzen. Der bundesweite Trägerkreis gehört zum ICAN-Netzwerk, das 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Insgesamt sind 137 Städte und vier Bundesländer dem Städteappell beigetreten um den Vertrag zum Verbot von Atomwaffen zu unterstützen bzw. die Bundesregierung aufzufordern, ihm beizutreten. So haben bereits 646 Abgeordnete, darunter 171 Bundestagsabgeordnete, den ICAN Abgeordneten-Appell unterschrieben (www.icanw.de/abgeordnetenerklaerung/) und über 700 "BürgermeisterInnen für den Frieden" in Deutschland sind dem weltweiten Bündnis "Mayors for Peace" beigetreten, wonach wir weltweit nach Japan und dem Iran auf Platz 3 stehen.


Ein internationales Team stieg am 15.07.2018 an 5 Stellen gleichzeitig in den Fliegerhorst ein.


Am 10. Juni 2020 standen Marion Küpker, Stefanie Augustin und Margaretha Bos vor Gericht. Verteidigungsreden siehe unten!