Revision und zwei Beschwerden und eine Haftladung
Nachdem Susan Crane am 20.9.2022 in ihrer Berufungsverhandlung im Landgericht Koblenz zur Geldstrafe verurteilt worden war (siehe unten), hat sie gegen das Urteil Revision eingelegt. Diese wurde am 13.2.2023 vom Oberlandesgericht Koblenz abgewiesen. Damit wurde die Geldstrafe von 230 Tagessätzen rechtskräftig - allerdings erklärte sie, sie sei "nicht bereit, für die Vertuschung der Unrechtmäßigkeit der US-Atomwaffen durch das Gericht zu zahlen". Ihr Rechtsanwalt aus Frankfurt/Main legte am 20.3.2023 für sie eine Verfassungsbeschwerde ein. Am 9.5.2023 beschloss das Bundesverfassungsgericht, die Beschwerde nicht zur Entscheidung anzunehmen. Als Susan am 8.6.2023 an ihrem Wohnort in Kalifornien von der Staatsanwaltschaft Koblenz eine Kostenrechnung über 2.552 Euro erhielt (die Rechnung beinhaltet die Geldstrafe plus Verfahrenskosten), schrieb sie am nächsten Tag an die StA zurück: "(...) Ich bereue nicht, dass ich die einfachen Handlungen (das Betreten der Basis und das Halten von Transparenten) durchgeführt habe, und ich beabsichtige nicht, die Geldstrafe (...) zu zahlen, und bitte um eine alternative Strafe. Vielleicht können Sie mir dabei behilflich sein (...)". Daraufhin nannte eine Rechtspflegerin der StA Koblenz ihr als Alternativen: Antrag auf gemeinnützige Arbeit in Deutschland stellen oder 229 Tage in einem deutschen Gefängnis absitzen: "... dies käme auch infrage, wenn die Vollstreckung schließlich auf eine Ausschreibung zur Festnahme... hinauslaufen würde". (Mit Letzterem ist wahrscheinlich ein Haftbefehl gemeint. Aus irgendeinem Grund ist jetzt von 229 Tagen statt 230 die Rede.) Im September 2023 teilte Susan mit, ihr Anwalt habe zwischenzeitlich für sie eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg eingereicht, weil das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe ihre Verfassungsbeschwere nicht zur Entscheidung angenommen hat. Dieser Beschwerde beim EGMR wolle sie noch ein paar Zahlen über die gewaltfreien Protestaktionen in Büchel hinzufügen: beispielsweise, dass seit 1996 (Beginn des Zivilen Ungehorsams der "Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen" in Büchel) 99 Menschen strafrechtlich verfolgt wurden (einige davon mehrfach), dass darüber hinaus mindestens 18 Bußgeldbescheide verhängt wurden, dass 18mal Menschen wegen Büchel-Aktionen im Gefängnis waren, dass 20mal das Bundesverfassungsgericht wegen Büchel angerufen wurde etc.
Im Januar 2024 wurde Susan von der Staatsanwaltschaft Koblenz aufgefordert, die Ersatzfreiheitsstrafe von 229 Tagen bis spätestens 14.2.2024 in der JVA Rohrbach, Peter-Caesar-Allee 1, 55597 Wöllstein, anzutreten. Susan bat daraufhin wegen einer Handverletzung um einen Aufschub. Den gewährte die Staatsanwaltschaft im Februar. Anfang März teilte Susan mit, sie werde am 4.6.2024 in das genannte Gefängnis gehen.
Geldstrafe von 230 Tagessätzen für US-Bürgerin wegen sechs Büchel-Go-Ins
Susan Crane war im Amtsgericht Cochem am 29.9.2021 wegen ihrer Teilnahme an den Go-Ins vom 15.7. und 6.8.2018 zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen verurteilt worden, und am 17.1.2022 zu weiteren 200 Tagessätzen wegen der Go-Ins vom 10. + 14. + 16. + 22. Juli 2019. Ihre Berufung gegen beide Urteile wurde am 20. September 2022 im Landgericht Koblenz verhandelt. Die Strafkammer wies alle Beweisanträge von Susan ab. Das Urteil lautete auf eine Gesamtgeldstrafe von 230 Tagessätzen, das entspricht einer Ersatzfreiheitsstrafe von mehr als 7 Monaten im Gefängnis. Zu einer Mahnwache vor dem Gerichtsgebäude waren anderthalb Stunden vor Verhandlungsbeginn rund 20 Menschen erschienen, die danach die fast fünfstündige Verhandlung beobachteten. Susan wird wahrscheinlich Revision einlegen.
In den Tagen vor der Verhandlung wurde die folgende Ankündigungs-Pressemitteilung verschickt:
US-amerikanische Catholic Worker-Frau steht in Deutschland wegen Atomwaffenprotesten vor Gericht
• Berufungsverhandlung in Koblenz gegen zwei Urteile zu Geldstrafen von insgesamt 250 Tagessätzen
• findet am 20. September 2022 um 13:30 Uhr im Landgericht KO, Karmeliterstraße 14, 56068 Koblenz statt.
• Um 12 Uhr beginnt eine Mahnwache vor dem Gerichtsgebäude.
Susan Crane, langjährige US-Friedensaktivistin aus Kalifornien, wird sich vor dem Landgericht Koblenz wegen gewaltfreier "Go-In Aktionen" in den Luftwaffenstützpunkt Büchel in Rheinland Pfalz verantworten müssen, in dem US-Atomwaffen stationiert sind. Diese US-Atomwaffen, die auf einem deutschen Bundeswehr "Fliegerhorst Büchel" stationiert sind, verstoßen gegen den Atomwaffensperrvertrag, den sowohl die USA als auch Deutschland unterzeichnet haben, und verletzen internationale Gesetze (Völkerrecht) und humanitäre Werte.
Frau Crane gehört zu den Delegationen von US-FriedensaktivistInnen, die 2017, 2018, 2019 und 2021 an vier jährlichen internationalen Protesten in den Atomwaffen-Stützpunkt teilgenommen hat. Der Militärstützpunkt beherbergt ca. 20 US-amerikanische thermonukleare Atombomben, die als B61-3 und B61-4 bekannt sind. Sie werden unter der Schirmherrschaft des 702nd Munitions Support Squadron der US-Luftwaffe und des umstrittenen US/NATO-Programms namens "Nuclear Sharing" zum Einsatz bereitgehalten.
Die DemonstrantInnen dringen seit über 25 Jahren auf das Gelände ein und fordern den Abzug der US-Atombomben, den Stopp der nuklearen Aufrüstung mit neuen B61-12 Atombomben sowie ihres geplanten Ersatzes.
Die Anklage wegen Hausfriedensbruchs geht auf verschiedene Friedensaktionen auf der Büchel Basis zurück: Am Sonntag, den 15. Juli 2018, betraten 18 Personen aus vier Ländern (USA, Deutschland, Niederlande und England) den Atomwaffen-Stützpunkt. Am Hiroshima-Gedenktag (6. August 2018) wiederholte Susan Crane ein weiteres Go-In und saß mit dem Amerikaner John LaForge auf einem der Hangars, in denen die Atombomben eingelagert sein könnten. Im darauffolgendem Jahr gingen Crane und andere Friedensaktivisten erneut auf den Stützpunkt und betonten, dass die US-Atomwaffen auf deutschem Boden illegal sind.
Crane sagt: "Als US-Bürgerin fühle ich mich verantwortlich für die Atomwaffen, die mit meinen Steuergeldern hergestellt werden. Aus Überzeugung und Gewissensgründen habe ich gesagt, dass wir die Atomwaffen hier in den USA abrüsten müssen, und deshalb ist es sinnvoll, sich mit der internationalen Gemeinschaft der Friedensstifter gegen die in Europa stationierten US-Atomwaffen zu verbünden."
Die Vereinigten Staaten geben jede Minute mehr als 84.094 Dollar für Atomwaffen aus. In der Zwischenzeit sind Millionen von Menschen in den Vereinigten Staaten mit verseuchtem Wasser und unsicheren Lebensmitteln konfrontiert, sind obdachlos und leiden unter unzureichender medizinischer Versorgung. Diese Probleme, mit denen auch die Armen auf der ganzen Welt konfrontiert sind, könnten mit den Ressourcen und dem Geld, das die USA für Kriegsführung und Atomwaffen ausgeben, gelöst werden.
"Mein Glaube lehrt mich, dass jedes Kind heilig ist und dass es keine moralische Rechtfertigung dafür gibt, andere Menschen im Krieg zu töten, ihr Land zu zerstören oder ihr Wasser zu vergiften. Ein Atomkrieg tut all dies, " führt Susan Crane weiter aus.
In dieser Berufungsverhandlung geht es für Frau Crane um die Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs durch die 1. Instanz. Das Amtsgericht Cochem berücksichtigte nicht die deutschen und internationalen Gesetze, die die Vorbereitung des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen und die Weitergabe von Atomwaffen durch die USA an Nicht-Atomstaaten verbieten.
Die Internationale Rechtsexpertin Anabel Dwyer kommt in ihrer Erklärung für das Gericht zu dem Schluss, dass Frau Crane "zu Recht geltend macht, dass die Anklage in diesem Fall zurückgezogen werden sollte. ...Alle Bürger der USA, Deutschlands oder anderer NATO-Länder, die von der Planung, der Vorbereitung, dem Besitz, der Stationierung/Drohung oder dem Einsatz der wahllosen und unkontrollierbaren B61-Atombomben auf der Büchel Basis wissen, haben das Recht oder die Pflicht, sich gewaltlos oder symbolisch der Komplizenschaft mit den Verletzungen der unüberwindbaren Prinzipien des internationalen Gewohnheitsrechts zu widersetzen, die die andauernde Drohung mit einem möglichen Einsatz dieser Atombomben darstellen."
In den vergangenen 25 Jahren fanden in Deutschland um die 100 Gerichtsverfahren wegen ähnlicher "Go-In Proteste" auf dem Fliegerhorst Büchel statt. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es von 15 Personen nicht angenommene Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe und von zwei Personen eine Klagebeschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg, die noch anhängig ist.
Mehr Infos: Marion Küpker Tel:+49 (0)1727713266, mariongaaa@gmx.de
Susan Crane, Tel.: +1 6506498690, susan.s.crane@gmail.com
Frits ter Kuile Tel.: +31 (0)630295461, fritstk@gmail.com