8.10.2020: Ausschließlich Frauen im Prozess gegen Atomwaffen!

Am 8. Oktober 2020 standen Stefanie Augustin und Marion Küpker vor dem Koblenzer Landgericht. Es ging um das "Go-In" vom Juli 2018. Teilgenommen hatten 18 Menschen aus den USA (7), Deutschland (6), Niederlande (4) und England (1). Der Prozess dauerte 3 1/2 Stunden: Im Gerichtssaal waren ausschließlich Frauen (insgesamt 11 Frauen): die Richterin, zwei Schöffinnen, die Staatsanwältin, zwei Jurastudentinnen / Auszubildende, eine Protokollantin, die Rechtsanwältin, wir zwei Angeklagten, sowie unsere Mitstreiterin Johanna als Beobachterin. Diese uns allen auffallende außergewöhnliche Situation erzeugte eine besondere Atmosphäre, gekennzeichnet durch gegenseitigen Respekt, sich aufeinander Beziehens und emphatischen Zuhörens. Gleich zu Beginn konnten wir erreichen, dass der Vorwurf der Sachbeschädigung „Durchtrennen des Zaunes mit einem Bolzenschneider“ bei Stefanie und mir fallengelassen wurde, sodass es von Seiten des Gerichtes nur noch um Hausfriedensbruch ging. Johanna erklärte, dass Sie an der Go-In Planung nicht direkt beteiligt war, da sie in der Camp-Küche beschäftigt war. Sie selbst hatte nicht den Zaun durchtrennt und dieses nicht mitgeplant. Ich selbst konnte auch glaubhaft erklären, selbst keinen Zaun hätte aufschneiden wollen. Da in meiner Bezugsgruppe der fünf Gruppen nur die beiden US-AmerikanerInnen John und Ann waren, hätten sie als ZeugInnen geladen werden müssen, wovon das Gericht absah. Unsere Urteile reduzierten sich deshalb von 30 auf 20 Tagessätze.

In unseren Stellungnahmen erklärten wir, warum wir in der Stationierung der Atombomben in Büchel kein „abstraktes Risiko“ sehen und sich unsere Aktion daher um Notwehr nach §32 handelt (siehe hierzu unsere Prozesserklärungen auf www.buechel-atombombenfrei.de). Steffi bezog sich auf die Erklärung der Völkerrechtsexpertin Anabel Dwyer, die bereits in I. Instanz ins Verfahren einging und unsere Aktion durch das Internationale Recht vollständig als gerechtfertigt abgedeckt und bestätigt sieht.
Ich selbst brachte Beweisanträge darüber ein, dass das Nuclear Posture Review 2018 des US Verteidigungsministeriums den Ersteinsatz mit Atombomben auch für Büchel erwägt und darin sogar eine Empfehlung abgibt, in der bei einer konventionellen Auseinandersetzung mit Russland auch Atombomben mit geringer Sprengkraft zum Einsatz gebracht werden sollen. Meine Anwältin Anna Busl brachte Beweisanträge vom IALANA Richter Bernd Hahnfeld zur Illegalität der Nuklearen Teilhabe ein, die mit einer weiteren neuen Erklärung der US-Internationalen Rechtsexpertin Anabel Dwyer bestätigt wurde (siehe Webseite). Als Experten-Zeugen beantragten wir Anabel Dwyer und Hans Kristensen aus den USA zu laden, was – wie erwartet – abgelehnt wurde. Ich hatte aber die Möglichkeit die Stellungnahme: „Deutschland und die Nukleare Teilhabe“ von Rolf Mützenich (SPD-Chef) vorzutragen, in der er sich für die Beendigung der taktischen nuklearen Teilhabe in Deutschland ausspricht und klarstellt, dass dieses nicht die Teilnahme an der nuklearen Plannungsgruppe in der NATO gefährden würde. Auch belegt Mützenich, dass die europäischen Regierungen (und damit auch Deutschland) gar kein Mitspracherecht gegenüber den USA haben, falls sie einen Atombombeneinsatz bei uns befehlen. Otfried Nassauer hat am Ta, bevor er gestorben ist (Otfried Nassauer + 01.10.20) genau hierzu eine Analyse geschrieben, die ich - dankenswerterweise von Hildegard – erhielt und vor Gericht - im Anschluss an Mützenichs Artikel - vortragen konnte. Auch John LaForge Artikel „Deutschland: „Die US-Kernwaffen wurden in einer bundesdeutschen Debatte in Frage gestellt“ fand Gehör. Darin benennt John, dass am 30. Mai das National Security Archive in Washington Mützenichs Position bestärkte und Stoltenbergs Information Lügen strafte. Das Archive veröffentlichte ein bisher streng geheimes Memo des US-Außenministeriums, aus dem hervorgeht, dass die USA allein entscheiden, ob sie ihre Atomwaffen einsetzen, die in den Niederlanden, Deutschland, Italien, der Türkei oder Belgien stationiert sind.
Letztendlich brachte die Richterin zum Ausdruck, dass unsere Aktionen sehr bewundernswert seien und nur zu hoffen sei, das auch hier „steter Tropfen den Stein höhlen“ werde. Dafür wünsche sie uns viel Glück. Wir forderten natürlich Freisprüche, wozu sich die Richterin allerdings nicht durchringen konnte, da sie den Ort des Gerichtes hier nicht als den richtigen Ort dafür ansähe, sie auch glaubt von uns gehört zu haben, andere Stellen, wie z.B. uns an das Bundesverfassungsgericht wenden, den Weg durch die Instanzen gehen wollen. Ihr bleibe hier nur das Strafrecht, da ein „Freispruch so etwas wie ein bisschen Anarchie“ in Bezug auf unser geltendes Recht/Gesetze wäre.
Stefanie und ich planen in die Revision zu gehen und im Anschluss Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzulegen!
Unsere Pressemitteilung „Das Internationale Recht auf der Anklagebank“ wurde hier augenommen: www.eifelzeitung.de/allgemein/tagesthemen/das-internationale-recht-auf-der-anklagebank-280433/
Marion Küpker, 09. Okt. 2020

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5.10.2020 Anabel Dwyer, US-lawyer
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Hahnfeld_english
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202010_PM_kuepker_und_augustin.pdf
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Only women in the appeal trial against nuclear weapons
(a little bit of anarchy wouldn't be bad either)
On October 8, 2020, Stefanie Augustin and I, Marion Küpker, stood before the Koblenz County Court with our appeal proceedings. It was about the legal classification of our intrusion into the Bundeswehr nuclear weapons base, namely "Fliegerhorst Büchel", in an 18-member international group in July 2018. The participating activists came from the USA (7), Germany (6), the Netherlands (4) and England (1).
The process lasted 3 1/2 hours: In the courtroom were only women (11), the judge, two lay assessors, the prosecutor, two law students/trainees, a clerk, the lawyer, we two defendants, and our comrade-in-non-violant arms Johanna as trial observer. This extraordinary situation, which was striking to all of us, created a special atmosphere, characterized by mutual respect, relating to each other and emphatic listening.
Right at the beginning we were able to get the accusation of property damage "cutting through the fence with a bolt cutter" dropped with Stefanie and me, so that on the part of the court it was only a matter of trespassing. Johanna explained that she was not directly involved in the go-in planning because she was employed in the camp kitchen. She herself had not cut the fence and had not planned this. I myself could also credibly explain that I did not want to cut a fence. Since only the two Americans John and Ann were in my reference group of the five groups, they would have had to be called as witnesses, which the court did not want. Our sentences were therefore reduced from 30 to 20 daily rates.
In our statements we explained why we do not see an "abstract risk" in the stationing of the atomic bombs in Büchel and why our action is therefore self-defense according to §32 (see our trial statements on www.buechel-atombombenfrei.de). Steffi referred to the statement of the international law expert Anabel Dwyer, who already entered the trial in the first instance and who sees our action fully covered and confirmed by international law as justified.
I myself submitted motions for evidence that the Nuclear Posture Review 2018 of the US Department of Defense is considering the first use of nuclear bombs for Büchel as well, and even makes a recommendation in it that nuclear bombs with low explosive power should also be used in a conventional conflict with Russia. My lawyer Anna Busl brought in motions for evidence from IALANA judge Bernd Hahnfeld on the illegality of nuclear sharing, which was confirmed in another new statement by U.S. international legal expert Anabel Dwyer (see website). As expert witnesses we requested to invite Anabel Dwyer and Hans Kristensen from the USA, which - as expected - was rejected. However, I had the opportunity to present the statement: "Germany and nuclear sharing" by Rolf Mützenich (SPD, social democratic party leader), in which he argues for ending tactical nuclear sharing in Germany and makes it clear that this would not endanger participation in the nuclear planning group in NATO. Mützenich also proves that the European governments (and thus Germany as well) have no say at all in the matter with the USA if they order the use of the nuclear bombs in and from our country. Otfried Nassauer wrote an analysis on this just prior to his death (01.10.20), which I - thankfully from Hildegard - received and could present in court - following Mützenich's article. John LaForge's article "Germany: "The US nuclear weapons were questioned in a German debate" was also heard. In it, John states that on May 30th, the National Security Archive in Washington confirmed Mützenich's position and Stoltenberg's information proved him wrong. The Archive published a previously top-secret memo from the U.S. State Department, which states that the U.S. alone decides whether to use its nuclear weapons stationed in the Netherlands, Germany, Italy, Turkey or Belgium.
In the end, the judge said that our actions are very admirable and it is only to be hoped that here, too, "constant dripping will hollow the stone". She wished us good luck. Of course we demanded acquittals, but the judge could not bring herself to do so, because she did not consider the place of the court here to be the right place for this, she also believes to have heard of us, other places, such as the Federal Constitutional Court, want to go through the instances. The only thing that remains for her here is criminal law, since an "acquittal would be something like a bit of anarchy" in relation to our current law/laws.
Stefanie and I plan to go to the into the revision and subsequently file a constitutional complaint with the Federal Constitutional Court!

 

Our press release "International Law in the Dock" was taken here: www.eifelzeitung.de/allgemein/tagesthemen/das-internationale-recht-auf-der-anklagebank-280433/