Ariane Dettloff

 

Juli 2023: Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)


Ariane war bereits wegen ihrer Teilnahme an der Go-In-Aktion der Gruppe "Widerständige Alte" rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen verurteilt worden und hatte deswegen im August 2020 eine Verfassungsbeschwerde eingelegt. Zwei Monate später hatte das Bundesverfassungsgericht beschlossen, die Beschwerde nicht zu Entscheidung anzunehmen. Genau so erging es Ariane im März 2023 mit ihrer zweiten Verfassungsbeschwerde, die sie im Jahr 2022 eingereicht hatte, nachdem sie wegen des "Büchel-17"-Go-Ins vom 30.4.2019 noch einmal verurteilt worden war: jetzt zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen. Diese Verurteilung war durch einen Beschluss des Koblenzer Oberlandesgerichts in 2022 rechtskräftig geworden. Diesmal aber ließ Ariane es nicht dabei bewenden: Wegen der erneuten Abweisung einer von ihr beim höchsten deutschen Gericht in Karlsruhe eingelegten Verfassungsbeschwerde reichte ihr Anwalt für sie Ende Juli 2023 Beschwerde beim EGMR ein, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Damit ist sie die sechste Person, die den EGMR anruft, weil sie wegen einer gewaltfreien Aktion in Büchel verurteilt wurde und weil die anschließende Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wurde.

 

 

Hier folgen Texte zu Arianes Verhandlung im Landgericht Koblenz am 6. Januar 2022:

PRESSEMITTEILUNG (vor der Verhandlung)

Ist Protest gegen Atomwaffen auf Bundeswehr-Gelände in Büchel rechtmäßig?

Das Landgericht Koblenz soll im Berufungsverfahren darüber befinden, ob das Amtsgericht Cochem die Kölner Friedensaktivistin und Journalistin Ariane Dettloff zu Unrecht wegen wiederholtem „Hausfriedensbruch“ auf dem Bundeswehr-Flugplatz Büchel zu 40 Tagessätzen verurteilt hat.

Dettloff, die am Tag der Verhandlung ihren 78. Geburtstag feiern wird, hatte 2019 gemeinsam mit sechzehn weiteren Menschen das Bundeswehr-Gelände betreten. Mit einem „atombombenfreien Picknick“ und einem „Sit-In“ unterbrach die Gruppe „Büchel17“ den Übungsbetrieb des Luftwaffengeschwaders 33 der Bundeswehr, der auch Atomkriegsübungen umfasst. Sie verlangte den Abzug der US-Atombomben aus Deutschland und den Beitritt Deutschlands zum Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen.

Mit Blick auf den Koalitionsvertrag der Bundesregierung warnt die Journalistin vor dem Festhalten an Atombomben: „Die Ampel-Koalition hat versprochen, dass Deutschland konstruktiv als Beobachter an der Staatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags teilnehmen wird. Aber sie will auch neue Trägerflugzeuge für die US-Atombomben beschaffen. Sie will also im Kriegsfall weiterhin die Verfügungsgewalt über Atomwaffen haben. Das ist völkerrechtswidrig. Es verstößt gegen den von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichneten Atomwaffensperrvertrag (NPT).“

Schon die Drohung mit einem Atomkrieg missachte das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Artikel 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, so Dettloff. Eine unmittelbare Gefahr bestehe durch einen jederzeit möglichen Atomkrieg aus Versehen, wie der Informatiker Prof. Karl Hans Bläsius bezeugen werde, den Dettloff als Zeugen einlade. Gerade die gegenwärtig gestiegene Spannung zwischen NATO und Russland erhöhe diese Gefahr.

Die 77-Jährige hofft auf einen „Mutanfall“ des Richters, indem er ihrer rechtlichen Argumentation folgen und das Amtsgerichtsurteil aufheben könnte.

Mehr dazu: www.dfg-vk-rlp.de/aktuell/prozesse-wegen-aktionen-gegen-atomwaffen/ariane-dettloff/   und   https://www.friedenkoeln.de/?p=17022


Pressemitteilung der DFG-VK Gruppe Köln vom 06.01.2022, nach der Verhandlung:

Das Landgericht Koblenz verwarf heute die Berufung der Kölner Journalistin Ariane Dettloff (78 J.), die 2019 gemeinsam mit sechzehn weiteren Friedensaktivist*innen auf dem Atomwaffenstationierungsgelände der Bundeswehr in Büchel (Eifel) den Übungsbetrieb mit US-Atombomben unterbrochen hatte.

Anhörung von Sachverständigem abgelehnt

Richterin Klein lehnte es ab, den Informatiker Prof. Dr. Karl Hans Bläsius, einen Fachmann für Künstliche Intelligenz und Frühwarnsysteme, als sachverständigen Zeugen anzuhören. In vorangegangenen Prozessen anderer Friedensaktivist*innen wurde die Anhörung von Bläsius gleichfalls als irrelevant abgelehnt.

Mit zivilem Ungehorsam für Menschenrechte

Ihren Zivilen Ungehorsam („Hausfriedensbruch“) in Büchel am 30.4.2019 begründete Dettloff mit völkerrechtlichen, menschenrechtlichen und verfassungsrechtlichen Argumenten. Atomwaffen sind als Massenvernichtungswaffen gemäß einem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs aus 1996 verboten.

Deutsche Soldat*innen dürfen gemäß dem Atomwaffensperrvertrag (NPT), den Deutschland unterzeichnet hat, nicht über Atomwaffen verfügen. Die Bundesregierung muss das grundgesetzlich verbürgte Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit achten.

Der Anwalt der Beklagten Christian Mertens plädierte auf Freispruch und erklärte: „Für Deutschland ist das Völkerrecht bindend.“ Er verwies darauf, dass die USA in ihrer Atomkriegsstrategie „Nuclear Posture Review“ einen Erstschlag mit Atomwaffen vorsehen. „Das ist illegal“, so Mertens.

Der Staatsanwalt entgegnete: „Jeder wünscht sich eine Welt ohne Atomwaffen. Straftaten sind jedoch nicht hinnehmbar.“ Die Justiz dürfe nicht politisiert werden.

Richterin Klein verwarf die Berufung und bestätigte das Urteil des Amtsgerichts über 40 Tagessätze, ersatzweise Haft. Dettloff zeigte sich enttäuscht, dass der erhoffte „Mutanfall“ des Gerichts und die Weiterentwicklung der deutschen Justiz ausblieb.