1) Ein kurzer Ausflug in die Geschichte - Archäologisches Museum Istanbul: eine Ton-Tafel aus dem Jahre 1.270 v. Chr. – in Keilschrift ein Friedensvertrag zwischen dem ägyptischen Pharao
Ramses II und dem Großkönig der Hethiter Hattusili III. Dieser beendet Krieg, regelt Angriffsverbot, ist paritätisch zwischen beiden Herrschern, regelt friedliches Zusammenleben. Schlussformel:
Bei Vertragserfüllung Wohlergehen für alle im Schutze der Götter; bei Vertragsverletzung Vernichtung des Rechtsbrechers und seines Landes. Vor 3.290 Jahren ein völkerrechtlicher Vertrag!
Vertragliche Beziehungen von Herrschaftsverbänden durchziehen die Geschichte, die griechische Polis, die römischen, karthagischen und mazedonischen Reiche, chinesische Herrschaftsverbände.
Im europäischen Mittelalter waren Fürsten nicht fähig zu vertraglichen Beziehungen.
Auch in der Neuzeit hatten nur Herrscher vertragliche Beziehungen, nicht die Völker. Ein humanitäres Völkerrecht (VR) entstand erst ab Ende des 19. Jh. mit der Haager Landkriegsordnung von 1899
und 1907. Diese betonte die Unterscheidung von Kombattanten und Nicht-Kombattanten und deren Schutz. Gleichzeitig wurden die Genfer Rot-Kreuz-Abkommen zum Schutze der Verwundeten und
Kriegsgefangenen vereinbart.
Eine große zivilisatorische Errungenschaft war 1945 in Nachfolge des Völkerbundes die Gründung der Vereinten Nationen mit der UN-Charta. Waffengewalt durfte ein Staat nur noch in Notwehr
anwenden. Streitigkeiten sollten durch Verhandlungen oder vor Gericht geklärt werden.
1977 entstanden die Zusatzprotokolle zum Rot-Kreuz-Abkommen. Diese regelten – teils gegen den Widerstand der Atommächte - umfangreiche Waffenverbote.
In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts entwickelte sich das allgemeine, d.h. universelle Völkerrecht. Das Völkergewohnheitsrecht gehört dazu. Es gilt für alle Staaten, unabhängig von
Verträgen. Manches Vertragsrecht ist inzwischen Gewohnheitsrecht geworden, z. B. Vorschriften der UN-Charta und der Rot-Kreuz-Abkommen.
2) Für die Beantwortung der uns gestellten Frage sind vor allem maßgebend: Das mit der UN-Charta 1945 geschaffene Gewaltverbot (Art. 2 Abs. 4 UN-Charta) und das ebenfalls
gewohnheitsrechtlich geltende humanitäre Völkerrecht gemäß dem Zusatzabkommen zum Rot-Kreuz-Abkommen. Dieses verbietet Waffen, die nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten unterscheiden,
Waffen, die unnötige Leiden verursachen, und Waffen, die unbeteiligte Staaten in Mitleidenschaft ziehen.
Damit sind wir bei den Atomwaffen. Die können das nämlich nicht. Sie treffen unterschiedslos alle Lebewesen im Zielgebiet, verstrahlen Überlebende und die Umwelt radioaktiv und senden durch Winde
den Fall-Out in die Nachbarländer. Der Internationale Gerichtshof hat in seinem für die UN-Generalversammlung erstatteten Gutachten am 8.7.1996 klargestellt: Der Einsatz von Atomwaffen und seine
Androhung sind völkerrechtlich verboten. Das gilt auch für alle denkbaren Notwehrfälle. Wenn Staaten angegriffen werden, sind sie nicht frei in der Wahl ihrer Verteidigungs-Waffen. Denn sie
dürfen sich nur mit Waffen verteidigen, die das humanitäre Völkerrecht nicht verbietet. Verboten sind laut IGH Atomwaffen, weil
- ihre Wirkung nicht zwischen Kombattanten und Zivilisten unterscheidet,
- ihre radioaktive Strahlung unnötige Qualen verursacht,
- sie Schäden an der Umwelt und den Lebensgrundlagen der Menschen für zukünftige Generationen verursachen und
- sie durch den grenzüberschreitenden Fall-Out neutrale Staaten in Mitleidenschaft ziehen.
Das ist einfach zu verstehen. Dennoch behaupten die Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten das Gegenteil. Vor dem Internationalen Gerichtshof haben sie sich darauf berufen, dass sie neue, kleine,
angeblich saubere Atomwaffen entwickeln. Das ist jedoch nicht denkbar, denn wenn solche Waffen keine radioaktive Strahlung freisetzen, sind es keine Atomwaffen.
Der Einsatz von Atomwaffen verletzt auch das Menschenrecht auf Leben nach Art. 6 des Paktes über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt). Dieser ist 1976 in Kraft getreten und auch in
bewaffneten Konflikten anzuwenden. Wörtlich: „Jeder Mensch hat ein angeborenes Recht auf Leben. Dieses Recht ist gesetzlich zu schützen. Niemand darf willkürlich seines Lebens beraubt werden.“
Deutschland ist diesem Pakt beigetreten.
Das Völkerrecht ist kein Recht der Völker im eigentlichen Sinn, sondern ist ein von Regierungen und Rechtswissenschaftlern ausgehandeltes Recht der Staaten. Bei den Vertragsverhandlungen
versuchen Regierungen zu vermeiden, sich selbst juristische Fesseln aufzuerlegen oder sogar für politisches Regierungshandeln in die Gefahr einer Strafverfolgung zu geraten.
Die Rechtsquellen des Völkerrechts sind nach Art. 38 IGH-Statut
- internationale Verträge,
- das internationale Gewohnheitsrecht und
- allgemeine Rechtsgrundsätze.
Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind nach Art. 25 GG vorrangiger Bestandteil des Bundesrechts. Das humanitäre Völkerrecht gehört dazu! D.h. es verpflichtet unmittelbar die Bundesregierung
und alle staatlichen Instanzen und schränkt ihren rechtlichen Handlungsspielraum ein.
Die Tatsache, dass Regierungen gegen das Völkerrecht verstoßen, macht dieses nicht weniger verbindlich. Häufig berufen sich Regierungen zu Unrecht auf neues, abweichendes Völkergewohnheitsrecht.
Dieses entsteht jedoch nur bei einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung (Art. 38 Abs.1 b IGH-Statut), d.h. wenn eine längerdauernde Staatenpraxis und die Überzeugung der Staaten, damit
geltendes Recht anzuwenden, nachgewiesen wird.
Wie kann das Völkerrecht durchgesetzt werden? Hier zeigt sich das Defizit des Völkerrechts. Vollzugsorgane sind in der UN-Charta nicht vorgesehen. Lediglich dem UN-Sicherheitsrat sind
Machtbefugnisse eingeräumt worden. Er könnte nach Art. 39 UN-Charta die Atomwaffenrüstung als Bedrohung des Friedens feststellen und Maßnahmen nach Kapitel 7 gegen die Verursacher einleiten. Das
ist jedoch illusorisch, weil alle fünf Veto-Staaten gleichzeitig Atomwaffenstaaten sind und ihre Atomwaffen auch behalten wollen.
3) Der Einsatz von Atomwaffen ist ein Völkerrechtsverbrechen nach dem Römischen Statut des Internationalen Strafgerichthofs. Ob bereits die einsatzbereite Stationierung von Atomwaffen
der Versuch eines völkerrechtlichen Verbrechens ist oder ob es sich dabei nur um eine straflose Vorbereitungshandlung handelt, ist eine schwierige Abgrenzungsfrage und letztlich eine Frage der
juristischen Bewertung. Ich persönlich meine, dass in einer Zeit internationaler Spannungen und wechselseitiger – auch atomarer - Bedrohungen sowie angesichts der realitätsnahen Einsatz-Übungen
gegen Nachbarstaaten von dem „Beginn der Ausführungshandlung“ gesprochen werden muss, also von dem Versuch eines Völkerrechtsverbrechens.
Wegen Verstoßes gegen das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) können nur Vertragsstaaten Verfahren einleiten. Bürger haben das Recht nicht.
4) Die Bundesregierung hat der nuklearen Teilhabe und der Stationierung von Atomwaffen in Büchel ausdrücklich zugestimmt und hält diese Zustimmung auch aufrecht. Eine gesetzliche
Grundlage dafür fehlt. Die nukleare Teilhabe ist lediglich ein Teil des Strategischen Konzeptes der NATO, das zwischen den Bündnis-Staaten abgesprochen worden ist. Es ist laut BVerfG weder ein
förmlicher noch ein konkludent zustande gekommener Vertrag. Im NATO-Vertrag werden Atomwaffen nicht erwähnt. M.E. hätte die Bundesregierung der nuklearen Teilhabe keinesfalls ohne einen Beschluss
des Bundestages zustimmen dürfen. Denn die Stationierung und der eventuelle Einsatz der Atomwaffen in Büchel sind für das gesamte Land und die Bevölkerung von existentieller Bedeutung. Deshalb
wäre dafür ein förmliches Gesetzgebungsverfahren zwingend nötig gewesen. Aber offensichtlich will man die öffentlichen Debatten darüber vermeiden.
Bundestagsfraktionen haben jedoch die Möglichkeit wegen Verletzung ihrer verfassungsrechtlichen Mitwirkungsrechte vor dem BVerfG eine Organklage zu erheben. Die „Mutlangen-Entscheidung“ des
BVerfG steht dem nicht entgegen. 1993 hatte das BVerfG entschieden, dass die Stationierung von atomaren Pershing II und Cruise Missiles der deutschen Staatsgewalt nicht zuzurechnen sei, weil
diese keine Herrschaft über die Folgen des Einsatzes der Waffen hat. Die nukleare Teilhabe unterscheidet sich davon jedoch, weil die Bundesregierung die Stationierung der B 61-Bomben in Büchel
und ihren Einsatz ausdrücklich gewollt hat und Soldaten der Bundeswehr die Atombomben mit deutschen Tornado-Flugzeugen zum Einsatzort fliegen und abwerfen.
Die Abgeordneten des Bundestages sind aber auch nicht gehindert, die nukleare Teilhabe eigenmächtig durch ein entsprechendes Gesetz zu beenden. Bislang haben sich die Abgeordneten auf die
Erklärung vom 26.3.2010 (17/1159) beschränkt. Mit dieser fordert der Bundestag die Bundesregierung fraktionsübergreifend auf, sich im NATO-Bündnis und gegenüber den amerikanischen Verbündeten mit
Nachdruck für den Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland einzusetzen. Nachdrückliche Bemühungen der Bundesregierung in dieser Richtung sind jedoch nicht erkennbar. Dabei wäre sie rechtlich nicht
gehindert, die nukleare Teilhabe formlos durch Mitteilung an die NATO-Verbündeten zu beenden. Denn der NATO-Beistand bleibt auch durch konventionelle Verteidigung gewährleistet.
5) Welche Möglichkeiten hat der Bürger, gegen die Atombomben-Stationierung in Deutschland vorzugehen?
5.1. Der Einsatz von Atomwaffen ist strafbar nach dem Völkerstrafgesetzbuch und dem Strafgesetzbuch. Diese Verbrechen kann in Deutschland jedermann anzeigen. Ob bereits die
einsatzbereite Stationierung der Atomwaffen ein versuchtes Verbrechen ist, das ist – wie bereits dargelegt - eine juristische Bewertungsfrage.
5.2. Jeder Bürger kann zivilen Widerstand durch symbolische Rechtsverletzungen leisten und dadurch die Einleitung eines Strafverfahrens gegen sich selbst erreichen. In diesen müssen
die Richter auch alle völker- und verfassungsrechtlichen Fragen prüfen, soweit diese entscheidungserheblich sein können. Das geschieht oft unzureichend, weil Richter im Völkerrecht häufig wenig
bewandert sind.
Erst wenn die Verurteilten alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben, können sie Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einlegen. Dieses prüft, ob die Verurteilten durch die
Verfahren oder durch den Urteilsspruch in ihren Grundrechten verletzt worden sind. Das BVerfG ist keine letzte Tatsacheninstanz. Es prüft ausschließlich die vorgetragenen und sorgfältig
begründeten verfassungsrechtlichen Rügen. 98 % der Verfassungsbeschwerden scheitern, viele am unzureichenden Sachvortrag.
Bisher haben die Strafgerichte in den Verfahren gegen Atomwaffengegner abgelehnt, deren Handeln durch Notwehr- oder Nothilfe als gerechtfertigt anzusehen. Das ist m.E. nicht richtig. Denn jeder
Einsatz von Atomwaffen ist rechtswidrig und schädigt Menschen. Jeder Mensch, der davon bedroht ist, hat das Recht den rechtswidrigen Angriff auf sein Leben durch Notwehr abzuwehren.
Nur wenn der Angriff gegenwärtig ist, darf Notwehr ausgeübt werden, d.h. der Angriff muss unmittelbar bevorstehen. Droht in einer militärischen Auseinandersetzung der Einsatz von Atomwaffen,
haben die Betroffenen keinerlei Einwirkungsmöglichkeiten mehr, wenn der Einsatzbefehl erteilt worden ist. Der Schaden entsteht dann durch die Tötungen und Zerstörungen entweder durch einen
Erstschlag des Gegners am Stationierungsort der Atomwaffen oder durch den nahezu sicheren atomaren Gegenschlag. Notwehr muss also, wenn sie nicht ausgeschlossen sein soll, vor dem Einsatzbefehl
möglich sein.
Wann die Notwehrlage eintritt, ist eine juristische Bewertungsfrage. Ich meine, dass sie vorliegt, wenn die Atomwaffen einsatzbereit stationiert sind, ihr Einsatz regelmäßig unter realistischen
Bedingungen geübt wird, die internationalen Beziehungen zu den Zielstaaten sich drastisch verschlechtern und der Einsatz von Atomwaffen angedroht wird, wie kürzlich von dem US-Präsidenten Biden
im Falle eine Cyberangriffs auf die US-amerikanische Infrastruktur. Die NATO trägt dazu bei, die Spannungen zu verschärfen. Laut einer Meldung der FAZ übten bei der NATO-Übung „Steadtfast Noon“
im letzten Herbst Bundeswehrsoldaten in Büchel den Atombombeneinsatz gegen Russland.
Die Notwehrhandlung muss geeignet sein, den Angriff abzuwehren. Ein unmittelbarer Eingriff in die politischen und militärischen Befehlsstrukturen ist den Betroffenen nicht möglich. Ihre
symbolischen Regelverstöße aber sind geeignet die Verantwortlichen aufzurütteln, ihnen ihr illegales Verhalten bewusst zu machen und sie zur Beendigung der nuklearen Bedrohung zu
veranlassen.
Ziviler Widerstand durch symbolische Rechtsverstöße kann auch als straflose Notstandshandlung gerechtfertigt oder entschuldbar sein. Die Protestaktionen sind geeignet, Gefahren für Leben oder
Leib abzuwenden, wenn die Verantwortlichen damit veranlasst werden können, ihre atomare Verteidigungsstrategie zu beenden.
5.3. Die von einem Atomwaffeneinsatz unmittelbar Betroffenen haben die Möglichkeit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht. Mit der Klage kann beantragt werden die Bundesregierung zu
verurteilen, ihre Zustimmung zur Atomwaffen-Stationierung zurückzunehmen und die nukleare Teilhabe zu beenden. Eine solche Klage ist nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, dass er
durch die Zustimmung der Bundesregierung in seinen Rechten verletzt ist.
Die in der Nähe des Standortes Büchel lebenden Menschen sind in einem mit Atomwaffen geführten Krieg Ziel eines atomaren Angriffs oder Gegenschlags. Damit sind ihr Leben und ihre körperliche
Unversehrtheit konkret gefährdet. Meines Erachtens spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, dass die Gefährdung oder der Schaden durch einen anderen Staat verursacht würde. Wesentliche Ursache
des Angriffs oder Gegenschlags wäre die Atombomben-Stationierung bzw. der von Büchel gestartete atomare Angriff. Beides wären eine „conditio sine qua non“ für die Schädigung und für die aktuelle
Gefährdung.
Die Entscheidung des BVerfGs zur Pershing II-Stationierung, dass der deutschen Staatsgewalt die Folgen ihrer Zustimmung nicht zuzurechnen sind, weil sie keine Herrschaft über den Eintritt dieser
Folgen hat, ist auf die nukleare Teilhabe nicht anzuwenden. Denn die nukleare Teilhabe als Teil der Nuklearstrategie der NATO wird von der Bundesregierung ausdrücklich gewollt und aktiv
unterstützt. An Entscheidungen über den NATO-Einsatz von Atomwaffen ist die Bundesregierung beteiligt. Der Einsatz selbst erfolgt durch Bundeswehrsoldaten. Deshalb hat sie sich auch die Folgen
zurechnen zu lassen.
Ein materieller Anspruch könnte sich aus dem Grundrecht der Schutzpflicht des Staates und seiner Organe nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergeben. Demnach ist der Staat verpflichtet, sich schützend
vor gefährdetes menschliches Leben zu stellen und es vor rechtswidrigen Eingriffen zu bewahren. Rechtswidrig ist das Regierungshandeln, weil die Bundesregierung ihre Zustimmung zur Stationierung
von Atomwaffen erteilt hat und aufrechterhält, obwohl Atomwaffen nach dem humanitären Völkerrecht nicht eingesetzt werden dürfen. Ihre Stationierung in Büchel oder der Einsatz wären Ursache für
den atomaren Angriff oder Gegenangriff auf Büchel. Die Gefährdung oder Schädigung von Leib und Leben der Anwohner kann nur verhindert werden, wenn die Zustimmung zur Stationierung zurückgenommen
wird und die Atomwaffen abgezogen werden.
Rechtswidrig ist die Stationierung der Atomwaffen in Büchel auch aus einem weiteren Grund. Der Nichtverbreitungsvertrag (NPT), dem Deutschland 1974 beigetreten ist, verbietet Deutschland die
Verfügung oder Mitverfügung über Atomwaffen. Diese wird aber beim Einsatz durch deutsche Soldaten unvermeidbar ausgeübt. Auch in einem atomaren NATO-Einsatz bleiben die Bundeswehrsoldaten
deutsche Hoheitsträger, die nach dem Start ihrer Tornado-Flugzeuge zumindest eine Mitverfügung über die Atomwaffen erlangen.
Ein zweiter materieller Anspruch der Bewohner der Region Büchel gegen die Bundesregierung könnte sich aus Art. 25 Satz 2, 2. Alt. GG ergeben. Demnach erzeugen die allgemeinen Regeln des
Völkerrechts Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets. Das humanitäre Völkergewohnheitsrecht gehört zu diesen Regeln ebenso wie das Gewaltverbot der UN-Charta.
Angesichts der Drohungen des US-Präsidenten Biden mit einem atomaren Angriff als Antwort auf einen Cyberangriff gegen die US-Infrastruktur hat die Atomwaffenstationierung in Büchel eine neue
Bedeutung bekommen. Als Teil der NATO-Strategie wäre die nukleare Teilhabe in eine militärische Auseinandersetzung der USA mit Russland oder China zwangsläufig einbezogen. Die aktuellen
Einsatzübungen eines atomaren Angriffs auf Russland stützen diese Feststellung.
Die Drohung mit einem Atomwaffeneinsatz ist laut IGH ein Verstoß gegen das Gewaltverbot der UN-Charta und gegen das humanitäre Völkergewohnheitsrecht. Sie stellt eine konkrete Gefährdung der
Anwohner von Büchel und Umgebung dar und verletzt ihr Menschenrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Bundesregierung ist in der Lage und verpflichtet, die Gefährdung der Menschen zu
beenden und Schaden zu verhindern. Deswegen ist sie verpflichtet, die nukleare Teilhabe zu beenden und die Zustimmung zur Atomwaffen-Stationierung zurückzunehmen. Das hat sie auch wegen Verstoßes
gegen den Nichtverbreitungsvertrag zu tun.
Ist die Klage vor den Verwaltungsgerichten durch alle Instanzen verloren, steht der „Weg nach Karlsruhe“ offen. Auch insofern gilt: Das BVerfG ist keine neue Tatsacheninstanz. Es prüft nur
ausdrücklich gerügte, durch die Verfahren oder die Klageabweisung erfolgte Verletzungen der Grundrechte der Kläger. Die Verwaltungsgerichte haben Elke Kollers Klage abgewiesen, weil sie
unzureichend begründet worden sei. Das lässt sich mit dem Wissen von heute besser machen. Das BVerfG hat in der Sache nicht entschieden. Es hat die Verfassungsbeschwerde Elke Kollers gar nicht
zur Entscheidung angenommen. Also ist eine neue Verfassungsbeschwerde zur nuklearen Teilhabe möglich. Leider neigt das ansonsten hochprofessionelle BVerfG in Fragen zum NATO-Bündnis und der
Atomwaffenstationierung dazu, die Entscheidungen der Bundesregierung um fast jeden Preis zu rechtfertigen.
Hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen, bleibt die Möglichkeit, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Verletzung der Menschenrechte zu rügen. Der
Gerichtshof hat Grundsätze entwickelt, unter welchen Voraussetzungen ein Staat nach Art. 1 EMRK für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist. Deutschland ist mitverantwortlich für die Folgen
der Atomwaffenstationierung auf seinem Territorium, weil es diese ausdrücklich gebilligt hat und sich am Einsatz beteiligt. Deshalb kann die Anrufung des EGMR Erfolg haben.
6) Der am 22.1.2021 in Kraft getretene Atomwaffenverbotsvertrag kann noch keine Anspruchsgrundlage für eine Klage gegen die Bundesregierung sein. Er ist nur in den Vertragsstaaten und
unter ihnen verbindlich. Die Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten gehören nicht dazu. Deutschland ist dem Vertrag (noch nicht) beigetreten. Völkergewohnheitsrecht ist durch den Vertrag nicht
entstanden. Dennoch ist der Atomwaffenverbotsvertrag ein Meilenstein und ein großer Erfolg der Atomwaffengegner weltweit. Er zeigt, dass die Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten eine kleine
radikale Minderheit sind. Diese hält mit ihrer Atomwaffenrüstung die große Mehrheit der Weltbevölkerung für ihre Ziele in Geiselhaft. Gegen Recht, Ethik und Moral.
7) Die Wirkung von Völkerrecht beruht wesentlich auf seiner Effektivität. Diese hängt ab von einem Mindestmaß an normgerechten Verhalten der Staaten. Insoweit wirken zwei
Momente:
- die Erwartung der Gegenseitigkeit, also ein langfristig unabweisbares Interesse der Staaten an der gegenseitigen Einhaltung festgelegter Verhaltensmuster und
- die öffentliche Meinung. Selbst Großmächte versuchen zu vermeiden, vor der Weltöffentlichkeit mit dem Odium des Rechtsbrechers belastet zu werden (Ausnahmen inbegriffen). Das ist eine Botschaft
auch an die Friedensbewegung, die Regierungen weiterhin für ihre grundrechts- und menschenrechtsfeindliche Atomwaffen-Politik und ihre doppelten Standards an den Pranger zu stellen. Die
Bundesregierung verlangt von anderen Regierungen Rechtstreue, bricht aber selbst das
Völkerrecht.
Bonn, am 2. September 2021
Stand: 11. September 2021: Folgende Verfassungsbeschwerden haben wir bisher eingereicht. Alle wurden abgewiesen. Aber zu der zuletzt abgelehnten Verfassungsbeschwerde ist
folgendes anzumerken. Die Beschwerdeführerinnen Marion Küpker und Steffi Augustin gehen den Rechtsweg nun weiter zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - was bisher noch niemand von uns
getan hat.
Vierzehn Verfassungsbeschwerden wurden von rechtskräftig verurteilten Friedensaktivist*innen eingelegt:
1. Eberhard Mitzlaff wg Büchel-Go-In vom 20.4.97
2. Elisa Kauffeld wg 9.8.97
3. Wolfgang Sternstein / Erika Drees wg 7.8.99
4. Hermann Theisen wg Aufrufs zur Befehlsverweigerung in 4/15
5. Clara Tempel (eingereicht am 9.11.2018) wg 12.9.16
6. Ronja Bober (am 9.11.2018) wg 12.9.16
7. Elu Iskenius (am 18.5.2020) wg 12.9.16
8. Karen S. Welhöner (am 18.5.2020) wg 12.9.16
9. Katja Tempel (am 18.5.2020) wg 12.9.16
10. Ariane Dettloff (am 24.8.2020) wg 23.7.18
11. Brigitte Janus (am 24.8.2020) wg 23.7.18
12. Herbert Römpp (am 24.8.2020) wg 23.7.18
13. Susanne Großmann (am 24.8.2020) wg 23.7.18
14. Marion Küpker / Stefanie Augustin (am 1.4.2021) wg 15.7.2018
Die 15. Verfassungsbeschwerde war die, die von Elke Koller am 9.8.2011 eingelegt worden ist, nicht weil sie wegen einer Friedensaktion verurteilt worden wäre, sondern weil sie in
der Nähe von Büchel wohnt. Auch diese Beschwerde wurde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen; auch diese Beschwerde sei angeblich unzulässig.
Pressemitteilung der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen abschaffen (GAAA): Gerichte schützen Atomwaffen statt das Internationale Recht
Verfassungsbeschwerde von Trägerin des Aachener Friedenspreises eingereicht
Am 1. April 2021 reichen Stefanie Augustin und Marion Küpker gemeinsam ihre Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Durch alle Vorinstanzen ließen die Gerichte die Anwendung des
Internationalen Rechtes (Völkerrecht) vermissen und verweigerten die Zeugenanhörung der Rechtsexperten, z.B. Anabel Dwyer, eine US-Expertin für Internationales Recht (Adjunct Professor of Human
Rights and Humanitarian Law). Und das, obwohl das internationale Recht dem deutschen Recht übergeordnet ist (Artikel 25 GG).
Im Jahr 2018 drang eine internationale Gruppe (Menschen aus den USA, den Niederlanden, Großbritannien und Deutschland) gewaltfrei in einer Aktion des zivilen Ungehorsams in den
Atomwaffen-Stützpunkt Büchel ein, um gegen die illegale Atomwaffen-Stationierung zu demonstrieren. In Büchel in Rheinland Pfalz sind ca. 20 US- Atombomben stationiert, deren Einsatz regelmäßig im
NATO-Bündnis mit Bundeswehr- Piloten geübt wird. Stefanie Augustin saß bei der Aktion mit der US-Amerikanerin Susan Crane und dem Niederländer Frits ter Kuile auf einem der möglichen
Atomwaffen-Hangars (siehe Bild im Anhang). Sie wollen zudem die anstehende Atomwaffen-Aufrüstung (ab 2024) verhindern: Der Atomwaffen-Standort soll bis zum Jahr 2026 für die neuen US-Atombomben
für 259 Mill. Euro umgebaut werden. Mit dem neuen militärischen Sicherheitszaun wurde bereits begonnen. Die Baumaßnahmen beinhalten den Ausbau der Startbahn, die Modernisierung der
Atomwaffen-Infrastruktur, sowie die Erneuerung der Atombomben-Spezialbehälter in den Flugzeug-Hangar. Auch stehen neue US- Trägerkampfjets für 12 Mrd. Euro zur Debatte.
Marion Küpker, die im Jahr 2019 den Aachener Friedenspreis für die Kampagne Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt erhielt, sagt dazu:
“Ich habe nach geltendem Völkerrecht nicht nur ein Recht, sondern eine Verpflichtung, mit angemessenen Mitteln wie dem zivilen Ungehorsam, gegen die völkerrechtswidrigen Verletzungen unserer
Regierung bezüglich der Atomwaffen-Stationierung in Büchel zu protestieren (Nürnberger Prinzipien). Das deutsche Strafrecht gibt uns Bürgern keine andere Möglichkeit als den zivilen
Ungehorsam, um diesen Unrechtszustand gerichtlich einzuklagen. Sollte es – wie vorher schon mehrfach - wieder zu einer Nichtannahme durch das Bundesverfassungsgericht kommen, kündigen wir hiermit
erstmalig an, an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weiterzugehen. Jetzt kann die neue nukleare Aufrüstung noch gestoppt werden.”
Dieses ist nun die 13 und 14. Verfassungsbeschwerde in den knapp 50 Gerichtsverfahren wegen Aktionen des Zivilen Ungehorsams, die seit 1997 in Büchel stattfanden. Bisher hat sich das
Verfassungsgericht geweigert, auch nur eine der Beschwerden anzunehmen, u.a. mit der Begründung, dass kein öffentliches Interesse bestehe.
Demgegenüber ist aus Umfragen bekannt, dass die Mehrheit unserer Bevölkerung den Abzug der Atomwaffen und ein atomwaffenfreies Deutschland wünscht. Das Bundesverfassungsgericht handelt damit
permanent gegen den mehrheitlichen Willen der Menschen in Deutschland.
Und obwohl inzwischen mehr als 115 Städte, vier Bundesländer und mehr als 600 Landtags-, Bundestags- und Europa-Abgeordnete an unsere Bundesregierung appellieren, den Atomwaffen-Verbotsvertrag zu
unterzeichnen, weigert diese sich, diesem Vertrag beizutreten. Er würde Deutschland in absehbarer Zeit atomwaffenfrei machen.
Marion Küpker ist Friedensreferentin beim deutschen Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes und ist in der DFG-VK die internationale Koordinatorin für die Abschaffung von Atomwaffen.
Vor genau 4 Wochen [also im April 2020] wurde unser Revisionsantrag vom Oberlandesgericht Koblenz verworfen. Wir ersparen es euch, auf Details darin einzugehen. Wer möchte kann die
Revisionsablehnung bei uns anfordern.
Viel wichtiger daran war für uns, das seitdem der Countdown zum Einreichen unserer Verfassungsbeschwerden begann. Einen Monat haben wir seitdem täglich miteinander über Formulierungen,
Bewertungen und Ergänzungen kommuniziert. Holger Isabelle Jänicke vom Rechtshilfebüro hat einen 4-wöchigen Vollzeitjob damit gehabt, unsere Argumente aus 3 Jahren Rechtsstreit mit den Gerichten
in eine würdige, rechtlich saubere Form zu bringen. Dabei kamen uns Holger Isabelles Erfahrungen in der Mitarbeit an der Verfassungsbeschwerde zum Nötigungsparagraphen, bzw. zu den gewaltfreien
Sitzblocken gegen Pershing II Raketen sehr zu gute.
Im April organisierten wir einen internen Fachtag mit dem Rechtsanwalt Christian Mertens, der schon die Verfassungsbeschwerden von Ronja B. und Clara.T. eingereicht hatte (die bisher weder zur
Entscheidung angenommen noch abgelehnt wurde) sowie der Rechtsanwältin Anna Busl, die für Karen S.W. schon die Revisionsbegründung eingereicht hat.
Für den 18. Mai sind wir alle nach Karlsruhe gefahren, um dort unsere Verfassungsbeschwerde direkt persönlich abzugeben.
In einer Presseeinladung formulierten wir:
Alle drei Atomwaffengegner*innen rügen, dass durch die vorherigen Urteile das Völkerrecht gebrochen wird und ihr Grundrecht auf Würde („Die Würde des Menschen ist unantastbar“ Art.1,GG) verletzt
würde. Der Weg zum BVerfG birgt die Hoffnung, dass von einem Richterspruch die Grundrechte der Kläger*innen wieder hergestellt werden und gleichzeitig die kontinuierliche Grundrechtsverletzung
durch staatliche Organe durch das Vorbereiten eines Atomkrieges thematisiert wird. Das BVerfG wird sich dabei auch erneut mit der demokratiefördernden Wirkung des Zivilen Ungehorsams
auseinandersetzen müssen.
In einer weiteren Pressemitteilung vom heutigen Tag versuchen wir ein wenig die Inhalte unserer Beschwerde zu beschreiben:
Deckt Rechtfertigender Notstand den Zivilen Ungehorsam?
Am heutigen Tag haben Atomwaffenaktivist*innen Verfassungsbeschwerde gegen die Nukleare Teilhabe eingereicht.(...)
In ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Aktivist*innen, dass ihre Aktion vom Rechtfertigenden Notstand (§34 StGB) gedeckt gewesen sei. Denn wenn eine gegenwärtige Gefahr vorliegt und eine
Güterabwägung vorgenommen wurde, kann in bestimmten Fällen eine sonst mit Strafe belegte Tat straffrei ausgehen, wenn sie dazu dient, die Gefahr abzuwenden. Dazu hätte aber in den verschiedenen
Gerichtsinstanzen gehört, die Beweisanträge zum Beleg der gegenwärtigen Gefahr zuzulassen und die gewaltfreie Aktion als angemessene Reaktion auf die Bedrohung durch die Atomwaffenübungen in
Büchel anzusehen. „Die fehlende Auseinandersetzung der Fachgerichte mit den Rechtfertigungsgründen der Aktion Zivilen Ungehorsams sehen wir als staatliche Diskursverweigerung an“, so Karen
Welhöner, Forstwissenschaftsstudentin aus Göttingen. „Ziviler Ungehorsam ist ein wichtiges Korrektiv in einer funktionierenden Demokratie- Wir haben aktiven Verfassungsschutz betrieben“ ergänzt
Katja Tempel, eine der Beschwerdeführer*innen und Hebamme im Wendland.
Deswegen reicht die Prozesskampagne Wider§pruch heute Verfassungsbeschwerde ein : „Die Nukleare Teilhabe und das Üben mit Atombomben in der Eifel bricht Tag für Tag das Humanitäre Völkerrecht“
begründet Ernst-Ludwig Iskenius, Mitglied in der Ärzteorganisation IPPNW den Weg nach Karlsruhe. Rückenwind bekommen die Atomwaffengegner*innen vom Internationalen Gerichtshof, der in einem
UN-Verfahren erklärte, dass „ein Androhen des Einsatzes oder ein Einsatz von Atomwaffen (…) mit den Anforderungen vereinbar sein müsste, die sich (…) aus den Prinzipien des humanitären
Völkerrechts ergeben“. Und die Prinzipien sehen eindeutig das Vermeiden unnötigen Leidens der Zivilbevölkerung und die Unterscheidung zwischen Zivilisten und Militär vor. Beides ist bei einem
Atombombeneinsatz nicht gewährleistet.
Mit beteiligt sind die Rechtsanwälte Anna Busl aus Bonn und Christian Mertens aus Köln. Verstärkt wird die juristische Expertise von dem Rechtsberater Holger Isabelle Jänicke.
Die drei Beschwerdeschriftsätze sind eingereicht, jetzt liegt es an den Richter*innen in Karlsruhe. Einig sind sich alle Anwesenden:
In Büchel, Karlsruhe, weltweit: Atomwaffen müssen geächtet werden.
Wenn ihr nachlesen wollte, was wir in unserer Beschwerde geschrieben habt, geht auf die Seite: https://junepa.noblogs.org/aktionen/widerspruch/texte-aus-dem-gerichtssaal/
Wir grüßen euch herzlich aus Karlsruhe und wünschen euch viel Freude beim Lesen und Inspiration für eure Prozesse!
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https://junepa.noblogs.org/aktionen/widerspruch/aktuelles/
widerspruch-atomwaffen@riseup.net
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